Sonntag, 4. März 2012

Ehrenhaft entlassen?


Liebe Leserinnen und Leser,
geht es Ihnen auch so? Können Sie auch das Wort Ehrensold nicht mehr hören? Es hat in den letzten Tagen und Wochen eine regelrechte Inflation dieses Wortes in den Medien gegeben. Nicht, dass ich diese Einrichtung an sich in Frage stellen wollte. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben sich mit Sicherheit etwas dabei gedacht. Diesen Ehrensold sollte das Staatsoberhaupt nach Vollendung des Amtes für ein paar Jahre (meistens waren es ja ältere Herren, die es bekleideten) bekommen, um unabhängig von Regierungs Gnaden zu bleiben, die man als Bundespräsident ja durchaus auch hätte kritisieren und sogar per Ablehnung der Unterschrift eines Gesetzes in die Schranken weisen können. Doch jene Mütter und Väter wussten damals noch nichts davon, dass dieses hohe Amt einmal von halbseidenen Schwiegermutterlieblingen mit „Hallo-Herr-Kaiser-Gesicht“ und einem sehr „einnehmenden“ Wesen besetzt sein würde. Sie ahnten auch nicht die Spur, dass das Wort „Ehre“ darin so dermaßen verfehlt sein könnte, wie das Wort „musikalisch“ im Zusammenhang mit Dieter Bohlen.

Wobei ich den letzten Teil, den „Sold“ schon irgendwie passend finde. Sold erhalten üblicherweise Söldner – also Leute, die für Geld alles tun. Das passt im Zusammenhang mit der Person, die derzeit mit dem Wort Ehrensold –und vor allem mit dem dahinter stehenden, monetären Inhalt in Verbindung gerbacht wird. „Alt-Bundespräsident“ – so heißt der Titel jetzt – Christian Wulff bekommt nach rund 600 Tagen im Amt fortan schlappe 200.000 Euronen im Jahr. Umgerechnet bedeutet dies, dass er in zwei Tagen so viel Geld einstreicht, wie ein Rentner mit durchschnittlichen Beiträgen nach 40 Versicherungsjahren pro Monat. Mann, was muss dieser Wulff in den rund 1 ½ Jahren malocht haben!

Doch zurück zum Ehrensold und dergleichen. Zusätzlich zu der Kohle lässt Häuptling offene Hand sich auch noch den Zapfen groß streichen – wie weiland Karl Theodor, der sich auch für nichts zu schade war. Wulff sagt zum Abschied jedoch nicht leise Servus sondern wünscht sich den Titel „Ebony and Ivory“ von Paul McCartney. Wenn seine Eminenz schon die Beatles zu missbrauchen geruhen, hätte er lieber den Titel „Get Back“ nehmen sollen. „Geh zurück, von wo Du hergekommen bist“ als Textzeile hätte irgendwie besser gepasst. Sei es drum, er lässt sich vom Wachregiment der Bundeswehr beschallen und verschwindet für einige Zeit in der Versenkung – wahrscheinlich, um dann nach wenigen Monaten auf einen gut dotierten Posten in der Wirtschaft – oder noch schlimmer – in der EU wieder aufzutauchen.

Sind deshalb rund 80% der Menschen in Deutschland sauer auf ihn? Nein, sie sind deshalb sauer, weil sie instinktiv wissen, dass Wulff inzwischen keine Ausnahme mehr ist, er ist die Regel! Er ist die auf Provinzpossenniveau heruntergebrochene Spezies einer Politikerkaste, die sich in einem Kartell mit Wirtschaftslobbybonzen, Rechtsverdrehern und neoliberalisierten Ökonomieprofessoren vereinigt und nach und nach die Demokratie unterwandert hat. Sie profitierten von den Errungenschaften eines Sozialstaates, genossen eine gute Ausbildung auf Kosten der Allgemeinheit (und manchmal ihrer Herkunft), nahmen dann den Sozialstaat und seine Sicherungssysteme auseinander und erklären uns, weshalb wir jetzt Eigenvorsorge betreiben müssten und alle, die den Rest der sozialen Sicherung in Anspruch nehmen, Schmarotzer wären.

Es sind die, welche die so genannte Wettbewerbsfähigkeit für alle Kürzungen, Streichungen und sonstige Schweinereien als Grund benennen. Die, die das ewige Wachstum wie einen Götzen anbeten. Die uns immer Mäßigung verordnen und sich selbst die fettesten Pfründe sichern. Die Wasser predigen und Wein in Hülle und Fülle saufen – und die uns dann noch vorgaukeln, dies alles sei alternativlos. Ihre Heilslehre stülpen sie nun noch den anderen Europäern auf, damit auch der letzte Rest an Solidarität den Bach runter geht. Wir sind alle selbst unseres Glückes Schmied, heißt es. Wir sind eigenverantwortlich. Wir hatten einen Bundespräsidenten, der seines Glückes Schmied geworden ist, und dem sollen wir nacheifern?
Ehre, wem Ehre gebührt!

Herzlichst
Ihr Meckerator